SP-Nationalrat Fabian Molina und die Volksrepublik China
Stefan Hofer, 5. April 2022
Der SP-Nationalrat und ehemalige Präsident der Jungsozialisten (Juso) Fabian Molina profiliert sich derzeit mit Vorstössen, Auftritten und Stellungnahmen gegen die Volksrepublik China.
Er wendet sich gegen Investitionen von Schweizer Firmen in der Volksrepublik China, gegen wirtschaftliche, kulturelle und politische Kontakte zwischen der Schweiz und der Volksrepublik China. Hervorgetan hat er sich auch gegen die Teilnahme eines Bundesrats oder einer Bundesrätin an den Feierlichkeiten zur Eröffnung der Winter-Olympiade in Beijing.
Als ehemaliger Präsident der Jungsozialisten ist Fabian Molina offenbar der Meinung, sein Engagement gegen die Volksrepublik China diene den Bestrebungen, die Kräfte zu unterstützen und zu stärken, die sich in unserem Land und weltweit einsetzen für demokratischen Sozialismus. Er argumentiert, es gebe auf dieser Welt nur kapitalistische Staaten, die einen seien demokratische kapitalistische Staaten und die anderen seien autoritäre kapitalistische Staaten, und diese gelte es zu bekämpfen. Die Volksrepublik China zählt er zu den autoritären kapitalistischen Staaten, weshalb er glaubt, sie bekämpfen zu müssen. Damit stellt sich Fabian Molina in eine Front mit den USA und ihren Verbündeten und der NATO, die zutreffend erklären, die Auseinandersetzung mit der Volksrepublik China sei eine Systemkonkurrenz, die Volksrepublik China trachte danach, die Hegemonie der USA zu brechen und gegen die von den USA dominierte Weltordnung eine neue multipolare Weltordnung durchzusetzen.
In der Wirtschaft der Volksrepublik China gibt es einen grossen kapitalistisch-privatwirtschaftlichen Sektor. Es gibt zahlreiche Produktionswerke von ausländischen kapitalistischen Konzernen und es gibt Börsen, an denen Aktien gehandelt werden. Viele Kritiker, die sich als politisch linksstehend betrachten, beurteilen daher die chinesische Wirtschaft als Staatskapitalismus mit allen Erscheinungen, die zum Kapitalismus gehören: grosse Einkommens- und Wohlstandsunterschiede, Ausbeutung der Lohnarbeiter, private Aneignung der Profite. Es trifft zu, dass nicht wenige Chinesen als kapitalistische Unternehmer reich und manche sogar superreich geworden sind, während ein grosser Teil der Bevölkerung der VR China noch in bescheidenen Verhältnissen lebt und es in China auch noch Armut gibt. Aber es gibt in der Industrie der Volksrepublik China auch einen starken staatlichen Sektor. Die Schlüsselindustrien, die Bodenschätze, die Infrastrukturen (Verkehrswege, Energieversorgung etc.) sind staatlich. Ausserdem nimmt der Staat regulierend und lenkend Einfluss auf die Volkswirtschaft, damit sich diese in die durch Fünfjahrespläne vorgegebene Richtung entwickelt.
In keinem kapitalistischen Staat gibt es eine staatliche Planung der Wirtschaftsentwicklung mit Fünfjahresplänen mit dem Ziel der Verbesserung der materiellen und kulturellen Lebensverhältnisse der Bevölkerung. Die Repräsentanten der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung führen daher verständlicherweise Klage darüber, dass in China immer noch die Kommunistische Partei das Sagen hat und der Staat die Wirtschaft in noch viel zu hohem Masse kontrolliert und lenkt. So war in der Neuen Zürcher Zeitung vom 3. August 2018 zu lesen: „Als China in die Organisation (WTO) aufgenommen wurde, erwarteten die westlichen Länder, dass sich das Reich der Mitte schnell in Richtung Marktwirtschaft bewege. Dem war nicht wirklich so. Vor kurzem warf Dennis Shea, der US-Botschafter bei der WTO, China vor, das Land sei „die grösste protektionistische, merkantilistische Volkswirtschaft der Welt”. Chinas Wirtschaft wird weiterhin von staatlich subventionierten und gelenkten Unternehmen dominiert. ”Die in den letzten Jahrzehnten erzielten Erfolge in der Entwicklung der Wirtschaft der Volksrepublik China sind einzigartig in der Weltgeschichte. So hat sich das Bruttoinlandprodukt (BIP) der VR China von 1990 bis 2012 in nur 23 Jahren verfünfundzwanzigfacht. Damit hat die VR China das neoliberale Dogma, dass sich die Wirtschaft nur optimal entwickelt, wenn es keine staatlichen Industrieunternehmen gibt und der Staat nicht regulierend und lenkend in die Entwicklung der Wirtschaft eingreift, eindrücklich widerlegt. Die Volksrepublik China versteht sich als Staat, der das Ziel anstrebt, bis in einigen Jahrzehnten eine entwickelte sozialistische Gesellschaftsordnung zu schaffen. Bis zum 100. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik (im Jahr 2049) sollen die materiellen Grundlagen einer sozialistischen Gesellschaftsordnung geschaffen werden. China ist auf dem Weg zum Sozialismus. Wenn in der gegenwärtigen Entwicklungsetappe durch eine planwirtschaftlich gelenkte Marktwirtschaft mit einem bedeutenden privatwirtschaftlich-kapitalistischen Sektor die bestmögliche Entwicklung der Produktivkräfte erreicht werden kann, ist das für China der richtige Weg zur Schaffung der materiellen Grundlagen einer sozialistischen Gesellschaft in historisch kurzer Zeit.
In den vergangenen Jahren hat denn auch die Volksrepublik China bereits grossartige Verbesserungen der Lebensverhältnisse der Bevölkerung erreicht. So wurden zwischen 1991 und 2020 800 Millionen Menschen aus der Armut geholt. Bis in wenigen Jahren wird die Armut besiegt sein. Wenn die Statistiken einen Rückgang der weltweiten Armut ausweisen, ist dies in erster Linie das Ergebnis der erfolgreichen Armutsbekämpfung in der Volksrepublik China.Eine flächendeckende Kranken- und Rentenversicherung ist in den letzten Jahren auf- und ausgebaut worden, so dass heute die meisten Chinesen renten- und krankenversichert sind. Gleichzeitig sind auch auf dem Gebiet des Umweltschutzes grosse Anstrengungen unternommen worden, deren Auswirkungen schon sichtbar und spürbar sind. Damit hat die Volksrepublik China schon sehr viel erreicht bei der Sicherung des elementarsten Grundrechts der Menschen, nämlich des Rechts auf ein Leben ohne Elend und Armut in sozialer Sicherheit. Die Volksrepublik China ist nicht einfach ein aufstrebender Konkurrent der USA auf dem kapitalistischen Weltmarkt, sondern eine Macht, die eintritt für neue Verhältnisse in den internationalen Beziehungen, die nicht mehr nur von den Profitinteressen der die Weltwirtschaft beherrschenden kapitalistischen Mächte bestimmt sind.
Die Auseinandersetzung zwischen den USA und ihren kapitalistischen Alliierten und der Volksrepublik China ist nicht einfach ein Kampf zwischen imperialistischen Grossmächten um die Beherrschung der Märkte. Die Volksrepublik China will nicht anstelle der USA die Welt beherrschen und ausbeuten. Vielmehr will sie beitragen zur Durchsetzung und Etablierung einer neuen Weltordnung, die auf Gleichberechtigung der Völker beruht und den wirtschaftlich zurückgebliebenen Ländern Möglichkeiten einer Wirtschaftsentwicklung eröffnet, die zum Aufholen der Rückstände führt und diesen damit zu einer auch für sie vorteilhaften Teilnahme am Welthandel verhilft. Die Konkurrenz der USA mit ihren kapitalistischen Junior-Partnern und der aufstrebenden Volksrepublik China ist eine Systemkonkurrenz, was von den Politikern im Westen zutreffend geltend gemacht wird. Bei dieser Konkurrenz, die politisch-strategisch, wirtschaftlich und auch militärisch (z.B. AUKUS-Allianz) um eine neue Weltordnung bzw. für die Verteidigung der alten US-dominierten Weltordnung geführt wird, handelt es sich um Klassenkampf, um internationalen Klassenkampf. Diesen internationalen Klassenkampf führt die Volksrepublik China nicht nur für ihre eigenen nationalen Interessen sondern für alle Länder, die an einer neuen auf Gleichberechtigung der Nationen beruhenden Weltordnung interessiert sind. Der Platz eines internationalistischen Sozialisten in diesem Klassenkampf ist an der Seite der Volksrepublik China, was nicht heisst, dass man unkritisch alles gut finden muss, was in China geschieht.
Fabian Molina regt sich darüber auf, dass Schweizer Firmen in der Volksrepublik China investieren, Fabriken bauen und produzieren, weil dadurch Arbeitsplätze in der Schweiz verloren gehen und weil dadurch ein Technologie-Transfer nach China stattfindet und den Chinesen ermöglicht wird, sich modernste Technik anzueignen. Fabian Molina möchte möglichst verhindern, dass die Wirtschaft der Volksrepublik China weiter erstarkt und aufholt, dass sich der schier unglaubliche wirtschaftliche Aufstieg der Volksrepublik China weiter fortsetzt. Das kann aber nicht der Standpunkt eines internationalistischen Sozialisten sein. Nur wenn es gelingt, die wissenschaftlich-technische und die ökonomische Rückständigkeit eines grossen Teils der Welt zu überwinden, kann die Ausbeutung der dritten Welt durch die höchstentwickelten kapitalistischen Industriestaaten überwunden werden, kann das Ziel einer Welt mit gleichberechtigten Staaten, einer Welt ohne Hunger und Elend, ohne Ausbeutung und Unterdrückung, einer Welt ohne Kriege erreicht werden. Wenn China, ein Land, das noch vor wenigen Jahrzehnten ein wirtschaftlich rückständiges Entwicklungsland war, heute ein ökonomisch hochentwickelter Industriestaat mit einer leistungsfähigen Wirtschaft auf höchstem technologischem Niveau ist, muss das einen internationalistischen Sozialisten mit Freude und Genugtuung erfüllen, weil sich die Volksrepublik China nicht einfach (wie z.B. Südkorea) als Aufsteiger in die US-dominierte Weltordnung einordnet, was der Grund dafür ist, dass sich der Westen heute bemüht, den weiteren wirtschaftlichen Aufstieg der Volksrepublik China zu stoppen.
Wenn die Ingenieure der Volksrepublik China heute fähig sind, die modernsten, technologisch höchststehenden Maschinen nachzubauen und weiterzuentwickeln, ist das eine erfreuliche und ermutigende Entwicklung, die nicht nur der Bevölkerung der Volksrepublik China, sondern der gesamten Menschheit zugutekommen wird. Das Bestreben eines internationalistischen Sozialisten muss es sein, alle Entwicklungen zu unterstützen und zu befördern, die dazu führen, dass die wirtschaftlich noch zurückgebliebenen Länder aufholen können. Die Ambition eines internationalistischen Sozialisten ist es nicht, die Patente der Konzerne aus den kapitalistischen Metropolen zu verteidigen, sondern die Bestrebungen der Entwicklungsländer zu unterstützen, auch modernste Technik einzuführen und zu beherrschen. In der Beziehung zwischen Staaten mit einem vergleichbaren wirtschaftlichen Entwicklungsniveau kann Patentschutz legitim sein, nicht jedoch zum Zwecke der Erschwerung des Wettmachens der ökonomischen Rückstände von Entwicklungsländern.
Nun zur Frage, ob die Volksrepublik China ein demokratischer, die Menschenrechte achtender Staat ist oder eine das Land gegen den Willen und gegen die Interessen der Bevölkerung beherrschende Diktatur. Uli Sigg, der von 1995 bis 1998 als Schweizer Botschafter in der Volksrepublik China geamtet hat und als profunder China-Kenner anerkannt ist, hat in der Neuen Zürcher Zeitung vom 28. September 2021 geschrieben: „Eine Mehrheit in China – wie umfänglich auch immer – hält die Führung durch die Kommunistische Partei mit Präsident Xi an der Spitze für die derzeit geeignetste Regierungsform. Sie sieht die Partei zur Führung in jeder Hinsicht legitimiert. … 73% der Bevölkerung sagen, dass ihr Land demokratisch sei – in den USA sind das nur 49%.” Von niemandem, der die Volksrepublik China kennt, werden diese Feststellungen ernsthaft bezweifelt. Die Politik der Volksrepublik China wird vom Volk getragen und ist somit demokratisch legitimiert. Richtig ist, dass das chinesische Demokratie-Modell sich unterscheidet vom westlichen Demokratie-Modell, aber die Geschichte wird zeigen, dass verschiedene Demokratie-Modelle zu echter Volksherrschaft führen können. Als weiterer Vorwurf an die Volksrepublik China wird geltend gemacht, die nationalen Minderheiten – die Tibeter und die Uiguren – würden unterdrückt und ausgebeutet. Diese Vorwürfe gipfeln in der Behauptung, die Angehörigen der nationalen Minderheiten müssten Zwangsarbeit leisten und die Unterdrückung grenze an Völkermord. Diesen Behauptungen sind einige unbestreitbare Fakten entgegenzuhalten. Bevor Tibet als Gebiet mit weitgehender Autonomie in die Volksrepublik China eingegliedert wurde, herrschte dort ein mittelalterliches Feudalsystem. Das Land wurde vom buddhistischen Klerus und von den Grossgrundbesitzern beherrscht. Die Mehrheit der Bevölkerung waren völlig rechtlose, landlose, bettelarme analphabetische Bauern, die für den herrschenden Klerus und die Grossgrundbesitzer Fronarbeit leisten mussten. Der Anschluss als autonomes Gebiet Tibet an die Volksrepublik China hat die Bevölkerung von der feudalgesellschaftlichen Unterdrückung und Ausbeutung befreit, hat den Tibetern wirtschaftliche Entwicklung, Bildung und relativen Wohlstand sowie alle Rechte als vollberechtigte Bürger der Volksrepublik China gebracht. Dabei sind die tibetische Kultur und die buddhistische Religion respektiert worden, soweit diese mit den neuen Freiheitsrechten und mit den sozialen Rechten der Bürger zu vereinbaren waren. Von der Einkindpolitik, die in China zur Vermeidung einer Bevölkerungsexplosion während einiger Zeit galt, waren die Tibeter ausgenommen. Die Bevölkerung des autonomen Gebiets Tibet hat sich seit dem Anschluss an die Volksrepublik China vervielfacht auf über 7 Millionen, wovon 70% ethnische Tibeter sind. Ein modernes Bildungswesen, ein leistungsfähiges Gesundheitswesen sowie eine moderne Verkehrsinfrastruktur sind seither erst aufgebaut worden. Die Wirtschaftskraft des autonomen Gebiets Tibet hat sich verzigfacht und der Lebensstandard der Bevölkerung ist mit dem Stand vor dem Anschluss an die Volksrepublik China überhaupt nicht mehr zu vergleichen. Wie man bei diesen Fakten von Ausbeutung und Unterdrückung reden kann ist nur schwer verständlich.
Auch Xinjiang hat als autonome Region der Volksrepublik China in den letzten Jahrzehnten einen enormen Aufschwung erlebt. Die uigurische Bevölkerung hat sich seit 1953 von 3,6 Millionen auf 8,3 Millionen mehr als verdoppelt. Das Bildungsniveau der uigurischen Bevölkerung ist stark angestiegen ebenso das Pro-Kopf-Einkommen. Im Jahr 1949 gab es in Xinjiang eine Hochschule, neun Sekundarschulen und 1355 Primarschulen. Nur 19,8% der Kinder im schulpflichtigen Alter besuchten eine Schule. 90% der Bevölkerung waren noch Analphabeten. Heute gibt es in Xinjiang 3641 Primarschulen, 1211 Sekundarschulen, 147 weiterführende Berufsschulen und 56 Hochschulen. Der Analphabetismus ist völlig überwunden. Bei den ethnischen Uiguren beträgt für Personen ab 15 Jahren die durchschnittliche Bildungszeit 9,19 Jahre, ein Wert, der nur noch geringfügig unter der durchschnittlichen Bildungszeit der Gesamtbevölkerung der Volksrepublik China liegt. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen ist in Xinjiang in städtischen Gebieten von 319 Yuan im Jahr 1978 auf 5645 Yuan im Jahr 2000 und auf 34838 Yuan im Jahr 2020 gestiegen. Für die ländliche Bevölkerung betragen diese Werte 119 Yuan, 1619 Yuan und 14056 Yuan. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Uigurischen Bevölkerung ist von unter 30 Lebensjahren im Jahr 1949 auf 74,7 Lebensjahre im Jahr 2019 gestiegen. In Anbetracht dieser Fakten von Ausbeutung der uigurischen Minderheit oder gar von Genozid an den Uiguren zu sprechen ist geradezu absurd. Schon im 19. Jahrhundert haben in Xinjiang neben und mit den Uiguren auch Han-Chinesen gelebt. Im Zug des von der Regierung geförderten Aufbaus einer modernen Industrie hat der Anteil der Han-Chinesen an der Gesamtbevölkerung zugenommen. Aber immer noch sind die Uiguren die grösste Bevölkerungsgruppe. Es gibt uigurische Exilorganisationen, die Xinjiang von China abspalten wollen und einen uigurisch-dschihadistischen Gottes-Staat Ost-Turkestan gründen wollen. Diese separatistischen Islamisten, die vom Westen finanziert werden, sind verantwortlich für zahlreiche Terroranschläge, die in China verübt worden sind. Diese terroristischen Islamisten – gemessen an der Gesamtbevölkerung Xinjiangs eine winzige Minderheit – werden strafrechtlich verfolgt und auch eingesperrt. Wie in ganz China hat sich auch in Xinjiang die Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten in hohem Tempo entwickelt, wodurch, wie gezeigt, auch die Einkommen der Bevölkerung der autonomen Region Xinjiang stark gestiegen sind. Die chinesische Regierung und die sie tragende Kommunistische Partei wollen nicht zulassen, dass Randgebiete des grossen Landes wirtschaftlich zurückbleiben und verarmen. Deshalb hat ein Transfer von Investmitteln aus den höher entwickelten Gebieten nach Xinjiang (und auch nach Tibet) stattgefunden und findet immer noch statt.
Aber die Regierung will, dass der Wohlstand in diesen Gebieten nicht nur durch Transferleistungen aus den höher entwickelten Gebieten steigt, sondern dass die Bevölkerung von Xinjiang die Fähigkeit erwirbt, aus eigener Kraft mit eigener Leistung ihren Wohlstand zu mehren. Transferleistungen sind auf Dauer weder gut für die Leistungserbringer noch gut für die Leistungsempfänger. Dass sich deswegen die Volksrepublik China darum bemüht, die Leistungsfähigkeit und den Leistungswillen der uigurischen Bevölkerung in deren eigenem Interesse und zu ihrem Wohl durch Schulung und Ausbildung zu fördern, hat mit Unterdrückung und Zwangsarbeit nichts zu tun. In sozialistischen Staaten besteht grundsätzlich eine Arbeitspflicht. Es ist ein Gebot der sozialen Solidarität, dass die arbeitsfähigen Menschen arbeiten nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Mitmenschen, die noch nicht oder nicht mehr arbeiten können. Zu den Forderungen des historischen Generalstreiks von 1918 in der Schweiz gehörte unter anderem auch die Einführung einer Arbeitspflicht, was Fabian Molina wahrscheinlich nicht weiss. In letzter Zeit wird gegen die Volksrepublik China auch der Vorwurf erhoben, es bestünde die Absicht, die gesamte Bevölkerung einer Benotung des Sozialverhaltens zu unterwerfen, verbunden mit einer weitgehenden Überwachung. Mit einem solchen Projekt wird offenbar in China experimentiert, aber eingeführt ist ein solches Benotungssystem im ganzen Land bis heute noch nicht. Für uns in Westeuropa erscheint eine Benotung des Sozialverhaltens der gesamten Bevölkerung durch den Staat nur schwer vorstellbar und auch nicht erwünscht, aber die Bevölkerung Chinas hat dazu wahrscheinlich eine andere Meinung. Eine solche Benotung sollte auf jeden Fall nur in Übereinstimmung mit der Bevölkerung und keinesfalls gegen deren Willen eingeführt werden. Ausserdem müsste das System transparent sein und den Bürgern das Recht einräumen, gegen eine ungerechte Benotung Einsprache zu erheben.
In diesem Zusammenhang darf daran erinnert werden, dass in der Schweiz jahrzehntelang hunderttausende Bürger vom Staatsschutz heimlich überwacht worden sind und ihr Sozialverhalten benotet worden ist. Eine Reise in ein sozialistisches Land hat bereits genügt für eine Fiche bei der Bundespolizei. Diese Benotung war geheim und nicht transparent, konnte aber erhebliche Auswirkungen haben z.B. bei der Bewerbung um eine Kaderstelle. Der Schreibende selbst hat durch die Offenlegung der Fichen erfahren, dass er schon im Alter von 16 Jahren vom Spezialdienst der Polizei überwacht worden ist und dass z.B. eine private Studienreise in die DDR von der politischen Polizei der Schule gemeldet worden ist. Diese Tatsachen sollte man nicht vergessen bei einer kritischen Diskussion über die Experimente einer Benotung des Sozialverhaltens der Bevölkerung in der Volksrepublik China.
Wenn Fabian Molina gegen die Volksrepublik China hetzt, weil er die US-dominierte Weltordnung gegen die Bestrebungen der fortschrittlichen Menschheit für eine neue demokratische Weltordnung ohne Hegemonie der USA oder einer anderen Grossmacht verteidigen will, ist sein Standpunkt verständlich. Wenn er jedoch meint, damit im Sinne der Bestrebungen für Demokratie und Sozialismus im Weltmassstab zu wirken, muss ihm deutlich gesagt werden, dass er sich auf dem Holzweg befindet. Es sollte ihm zu denken geben, dass er mit seiner chinafeindlichen Haltung zwar die USA auf seiner Seite hat, dass aber die fortschrittlichen Staaten wie z.B. Kuba, Venezuela, Bolivien, Südafrika die Volksrepublik China als antiimperialistische Grossmacht sehen und schätzen. Wenn Fabian Molina möglichst bald Bundesrat werden will, wird seine chinafeindliche Haltung den Karriere-Ambitionen wohl nicht schaden. Die Basler Nationalrätin Sibel Arslan stösst ins gleiche Horn wie Fabian Molina. Mag sein, dass sie sich in ihrer masslosen Selbstüberschätzung auch schon als erste Bundesrätin mit Migrationshintergrund sieht. Bei den kommenden Nationalratswahlen werden wir daran denken.