Was man über Tibet wissen sollte

Zum 50. Jahrestag des «Volkaufstandes»

Von Matthias Goldschmidt

Tibet liegt auf dem südwestchinesischen Qinghai-Tibet-Plateau mit einer durchschnittlichen Meereshöhe von über 4000 Metern. Tibet grenzt von Westen nach Osten an die indischen Bundesstaaten Kairo, Jammu und Kashmir, Himachal Pradesh, Uttarakhand, Sikkim und Assam (nach chinesischer Auffassung) bzw. Arunachal Pradesh (nach indischer Auffassung und aktuellen politischer Grenzen), sowie an die Länder Nepal, Bhutan und Myanmar (Birma), mit einer Gesamtlänge der Grenze zu diesen drei Ländern von knapp 4000 km.
Tibet ist das Quellgebiet fast aller grossen süd-, südost- und ostasiatischen Flüsse: hier entspringen Brahmaputra, Ganges (wichtige Zuflüsse), Indus, Jangtse (Langer Fluss), Huanghe (Gelber Fluss), Irawady und Salween (Myanmar), Mekong und, wenn man die «tibetischen» Gebiete Ober-Yünnans dazurechnet, auch Perlfluss (Kanton, Hongkong, Macao) und Roter Fluss (Nordvietnam).
Die Bezeichnung «Tibet» wird heute sowohl für das gesamte tibetische Hochland verwendet, als auch für das Autonome Gebiet Tibet (AGT). Das Autonome Gebiet Tibet (im folgenden einfach «Tibet» genannt) umfasst etwa die Hälfte des tibetischen Kulturraums und liegt im Süden Tibets. Das Autonome Gebiet Tibet ist eine Verwaltungseinheit der Volksrepublik China. Es umfasst ein Gebiet von 1,2 Millionen km2. Die nördlichen und östlichen Teile des tibetischen Kulturraums sind heute Teil der chinesischen Provinzen Qinghai, Gansu, Sitschuan und Yünnan.
Extremistische tibetische Nationalisten, die ein «Gross-Tibet» verlangen, rechnen auch die osttibetischen Regionen Amdo und Kham, also überwiegend ausserhalb des Autonomen Gebiets Tibet gelegene Gebiete, mit dazu. Auch die tibetische Exilregierung des Dalai Lama in Dharamsala (Nordindien) beansprucht diese beiden Gebiete als Teil von «Gross-Tibet».
In Tibet leben neben Tibetern noch mehr als zehn andere Nationalitäten, unter anderen die Han, die Hui und die Menba-Nationalität. Gemäss Volkszählung lebten im Jahr 2000 im Autonomen Gebiet Tibet (AGT) insgesamt 2’616’329 Menschen. Daraus ergibt sich eine Bevölkerungsdichte von durchschnittlich 2,2 Einwohnern pro km2 (zum Vergleich Schweiz: 181 Einwohner pro km2). Davon waren Tibeter 2’427’168 (92,8%), Han (Chinesen) 158’570 (6,1%) und andere Minoritäten 30’591 (1,2%).
Allerdings leben auch in den Nachbarprovinzen gemäss Volkszählung der VR China im Jahr 2000 tibetische Minoritäten: vor allem in der Provinz Qinghai 1’086’592 Tibeter (22,5% der dortigen Bevölkerung), sowie kleinere Anteile in den Provinzen Sitschuan, Yünnan und Gansu.
Von den insgesamt ca. 120’000 Tibetern im Exil leben allein etwa 2’500 in der Schweiz.
Im September 1965 wurde in Lhasa die erste Tagung des ersten Tibetischen Volkskongresses einberufen. Dabei wurde das Autonome Gebiet Tibet offiziell ausgerufen.
Von 1965 bis 2004 sind nach offiziellen chinesischen Angaben über 96 Milliarden Yuan (9,5 Milliarden Euro bzw. ca. 250 Mio Euro pro Jahr) nach Tibet geflossen. Seit 2001 ist die Wirtschaft in Tibet kontinuierlich um 12 Prozent pro Jahr gewachsen. Im Jahr 2004 übertraf das Bruttosozialprodukt des Autonomen Gebietes Tibet 21 Milliarden Yuan (2 Milliarden Euro).
Seit 2001 können sich Bauern und Viehzüchter in Tibet krankenversichern lassen. Der Staat bezahlt die Schul- und Studiengebühren (das trifft in China nur für die Gebiete der sog. nationalen Minderheiten zu).

Das «gute alte Tibet»

Das «gute alte Tibet», das die antichinesischen Tibet-Aktivisten wiederhaben möchten, war keineswegs friedvoll und harmonisch. Tibet war überzogen von einem engmaschigen Netz an Klöstern und monastischen Zwingburgen, von denen aus das Land und die Menschen beherrscht und brutal ausgebeutet wurden. Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit, Polizei und Militär lagen ebenso in den Händen von Mönchsbeamten wie Bildungs- und Gesundheitswesen, Grundbesitz sowie jedwede sonstige Verwaltung.
Neben und zusammen mit dem allgegenwärtigen Klerus hatten einige alte Aristokratenfamilien Macht und Einfluss bewahrt. Der relativ kleinen Blutsaugerschicht in den Klöstern und Palästen, zusammen zwei bis drei Prozent der Bevölkerung, stand die grosse Masse der Leibeigenen beziehungsweise «unfreien Bauern» gegenüber. Die Steuer-, Fron- und Abgabenlasten, die diesen Menschen aufgebürdet wurden, nahmen ihnen jede Möglichkeit einer menschenwürdigen Existenz. Schuldknechtschaft und Sklaverei waren im alten Tibet an der Tagesordnung. Es gab ausserhalb der Klöster keine Schulen und keinerlei Gesundheitsversorgung, die Säuglingssterblichkeit lag bei fast 50 Prozent, die mittlere Lebenserwartung Erwachsener bei 35 Jahren.
Die überwiegende Mehrzahl der Menschen lebte unter katastrophalen Bedingungen. Hunger und Elend prägten den Alltag. Hinzu kam eine permanente religiöse Indoktrination, die den unterjochten und bis aufs Blut ausgebeuteten Menschen ihre miserablen Lebensverhältnisse als «karmisch» bedingt und damit unveränderbar erklärte, verbunden mit bis zum schieren Wahnsinn geschürter Angst vor Geistern, Teufeln und Dämonen. Das Strafrecht des Priesterstaats zeichnete sich durch Willkür und Grausamkeit aus. Öffentliche Verstümmelungen waren keine Seltenheit. Jedes Kloster verfügte über eine eigene Folterkammer.

Geschichte im Mittelalter

Die Bevölkerung stammt wahrscheinlich aus dem Huanghe-Tal und dem zentralasiatischen Raum, in dem nomadische Turkvölker lebten. Bis zum 6. Jahrhundert war Tibet in Fürstentümer unterteilt. Die Naturreligion Bön herrschte vor.
Im 7. Jahrhundert vereinigte der tibetische Nationalheld Songtsen Gampo auf dem Tibet-Hochplateau über zehn Stämme und Sippen. Er gründete die Tubo-Dynastie, deren Hauptstadt Lhasa wurde. Um 620 Beginn des buddhistischen Einflusses in Tibet durch die Heirat von König Songtsen Gampo mit zwei buddhistischen Prinzessinnen aus Nepal. Songtsen Gampo vergrösserte seine Militärmacht bis nach Nepal, Westtibet und über Teile Indiens. Er förderte den Buddhismus und übernahm aus Indien eine Schrift für das Tibetische. Songtsen Gampo strebte danach, mit der chinesischen Tang-Dynastie freundschaftliche Beziehungen herzustellen und fortgeschrittene chinesische Produktionstechniken in Tibet einzuführen. Er schickte zweimal Gesandte nach Chang’an (das heutige Xi’an), um dem Tang-Kaiser den Vorschlag einer ehelichen Verbindung zu unterbreiten, und heiratete dann im Jahr 641 die Tang-Prinzessin und Kaisernichte Wencheng.
Zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert war Tibet ein starkes Reich. 779 wird der Buddhismus zur Staatsreligion. Nach der Schwächung der Position der tibetischen Könige im 10. Jahrhundert bildete sich die prägende Form der tibetischen Gesellschaft aus. Das Land war in drei unterschiedliche Besitzformen unterteilt: freier Grundbesitz, Ländereien der adligen Familien und Ländereien unter der Verwaltung verschiedener buddhistischer Klöster. Diese Form bestand bis in die 1950er, wobei zu diesem Zeitpunkt mehr als 700’000 der 1,25 Millionen starken Bevölkerung als vom Adel oder den Klöstern abhängige Bauern tätig waren. D.h. ca. 60% der Bevölkerung waren praktisch ausgebeutete Leibeigene.

Mongolische Herrschaft ab 1240

Im Jahre 1240 wurde Tibet durch den mongolischen Khan Güyük erobert und in das Reich eingegliedert. Köden, der jüngere Bruder Güyük Khans wurde 1247 zum vorübergehenden Gouverneur der eroberten Tibet-Region ernannt. Mitte des 13. bis Mitte des 14. Jahrhunderts wurden Angehörige der Sakya-Schule des tibetischen Buddhismus von den mongolischen Khans (Yuan-Dynastie 1271–1368) als Vizekönige eingesetzt. Es folgten Zwischenregierungen, mit drei Herrschafts-Dynastien. Mit dem Übergang zur Ming-Dynastie (1368–1644) verloren die Sakya ihre zentrale Machtstellung in Tibet und mussten diese im Zuge der Reformation an die Gelugpa-Richtung abtreten.
Während der letzten Invasion der Mongolen am Anfang des 16. Jahrhunderts wurde die jüngste der vier religiösen Linien, die der Dalai Lamas aus der Gelug-Sekte, zur offiziellen Regierung erklärt.
Dalai Lama ist mongolisch und bedeutet «Ozeangleicher Lehrer» (von Dalai = mong. Ozean), auf Tibetisch heisst es jedoch «Gyalpo Rinpoche». Die Gelug-Schule (auch: Gelugpa = Schule der Tugendhaften) ist die jüngste der vier Hauptschulen (Nyingma, Sakya, Kagyü und Gelug) des tibetischen Buddhismus (Vajrayana). Die Anhänger dieser Schule werden auch als Gelbmützen bezeichnet (nach der Farbe der Mützen, die sie bei Einweihungen tragen). Das nominelle Oberhaupt der Gelugpa ist jedoch nicht der Dalai Lama, sondern der Ganden Tripa (der von den Klöstern gewählte Abt-König des Klosters Tripa).
Eine weitere bedeutende religiöse Autorität ist der Panchen Lama. Der Panchen Lama, eigentlich Panchen Rinpoche (tibetisch für «grosses Gelehrtenjuwel»), ist ein einflussreicher, spiritueller Lehrer des Gelugpa-Ordens und damit eine hohe Autorität im tibetischen Buddhismus. Sein Hauptsitz ist das Tashilhunpo-Kloster in Shigatse, südwestlich von Lhasa. Immer dann, wenn der Dalai Lama nicht in der Lage war, das Land zu regieren, übernahm der Panchen Lama die effektive Führung.

Chinesische Oberhoheit ab 1720

Im frühen 18. Jahrhundert (ab 1720) etablierte China das Recht, bevollmächtigte Regierungsvertreter (sogenannte Amban) in Lhasa zu stationieren. Als die Tibeter im Jahr 1750 gegen China rebellierten und den Regierungsvertreter töteten, reagierte China (Qing-Dynastie 1644–1911) darauf mit dem Einmarsch seiner Truppen und der Einsetzung eines neuen Vertreters.
Ab 1813 interessierten sich zunehmend die Briten für Tibet, um ihr Kolonialgebiet in Britisch-Indien auszudehnen und den wachsenden russischen Einfluss in Zentralasien zurückzudrängen (Russisch-Turkestan, Afghanistan, Mandschurei).
1904 erreichte ein britisches Expeditionskorps unter dem Befehl von Francis Younghusband die Stadt Lhasa, nachdem es in mehreren Schlachten die waffentechnisch weit unterlegenen tibetischen Truppen vernichtet hatte. Der 13. Dalai Lama flüchtete in die Mongolei.
Darauffolgende Verhandlungen mit den verbliebenen tibetischen Vertretern bekräftigten vertraglich die nominelle Oberhoheit Chinas über Tibet, zwangen die Tibeter jedoch zur Öffnung von Handelsposten und Abtretung von Gebieten im östlichen Himalaya (Arunachal Pradesh) an Britisch-Indien. Weiterhin wurde festgelegt, dass Tibet nicht ohne Einverständnis der Briten in Verhandlungen mit anderen Ländern treten durfte. Ein Abkommen mit China 1906 wiederholte diese Bedingungen, was Tibet de facto zu einem Protektorat der Briten machte. Eine Einmischung in innere Angelegenheiten fand jedoch nicht statt.

Britisches Protektorat ab 1904

Damit war Tibet seit 1904 bzw. 1906 britische «Einflusszone» bzw. britisches Protektorat hinsichtlich der politischen und wirtschaftlichen Aussenbeziehungen bei Anerkennung seiner innenpolitischen Zugehörigkeit zum Kaiserreich China.
Im Jahr 1907 stellte ein Abkommen zwischen England, China und Russland die Oberhoheit Chinas fest. 1910 schickten die Chinesen eine eigene militärische Expedition, um diesen Anspruch zu festigen. Der Dalai Lama floh erneut, diesmal nach Indien. Aufgrund der Revolution von 1911, dem Sturz der Qing-Dynastie und dem damit einhergehenden Ende des Kaisertums in China, verliessen die chinesischen Truppen Tibet. Im März 1912 zwangen tibetische Verbände die letzten chinesischen Truppen zum Rückzug.
1912 kehrte der 13. Dalai Lama zurück und zog 1913 in Lhasa ein. Nur 22 Tage später erklärte er in einer feierlichen Proklamation die förmliche Unabhängigkeit Tibets. Hierbei wurden auch die äusseren Symbole wie Flagge und Hymne festgelegt. In der Regierungszeit des 13. Dalai Lama hatte Peking keine Repräsentanten in dessen Territorien, schickte aber nach dessen Tod 1933 eine Kondolenz-Mission nach Lhasa.
China war jedoch durch den Bürgerkrieg (1927–1949) zwischen Kuomintang und der KP Chinas sowie durch den Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg 1937–1945 bzw. die japanische Okkupation Chinas ab 1931 (Mandschukuo) nicht in der Lage, seine völkerrechtlich anerkannte Oberhoheit über Tibet praktisch auszuüben.
Da gleichzeitig die 1913 durch den 13. Dalai Lama proklamierte Unabhängigkeit Tibets trotz eindringlichen tibetischen Appellen an Grossbritannien und die USA sowie später an Indien von keinem einzigen Staat der Welt formell anerkannt wurde, ist heute völkerrechtlich umstritten, ob Tibet überhaupt jemals wirklich ein unabhängiger Staat war. China kann sich demgegenüber aufgrund völkerrechtlich anerkannter Dokumente auf seine Oberhoheit seit 1720 berufen.
Die einzige weltweit anerkannte Institution, die diese Frage völkerrechtlich klären könnte, wäre die UNO, die diese Frage jedoch, nach einem erfolglosen Anlauf 1950, nie auf ihre Agenda gesetzt hat. Darüberhinaus hat die UNO durch ihre teils zweifelhafte Rolle im Jugoslawien-Konflikt und im Irak-Krieg viel von ihrer völkerrechtlichen Autorität eingebüsst.
Nach der Kapitulation Japans 1945 verstärkte sich der Bürgerkrieg in China, das zeitweilige antijapanische Zweckbündnis zwischen der KP Chinas und der Kuomintang zerbrach. Nun wurden durch die tibetischen Behörden alle chinesischen Beamten des Landes verwiesen und die eigene Armee aufgerüstet. Ein Appell an die Regierungen Grossbritanniens, Indiens und der USA im Jahr 1949 blieb ohne Erfolg, sodass Tibet politisch isoliert blieb. Ein anschliessender Appell an die Vereinten Nationen blieb durch die Ablehnung von Grossbritannien und Indien wegen des «ungeklärten Rechtsstatus Tibets» erfolglos.
Nach dem Sieg der Volksbefreiungsarmee im Bürgerkrieg und der Gründung der Volksrepublik China unter Führung der Kommunistischen Partei im Oktober 1949 erwachte der Anspruch auf Tibet und dessen Anschluss an das chinesische «Mutterland» erneut.

Die VR China sichert ihr Territorium

Die Absicht der Befreiung Tibets vom «britischen imperialistischen Joch» durch Chinas Volksbefreiungsarmee wurde im Januar 1950 durch Radio Peking verkündet. Ausserdem ging es den chinesischen Kommunisten auch um die Befreiung des tibetischen Volkes vom «theokratischen Feudalismus» der herrschenden Adels- und Mönchskaste sowie von Leibeigenschaft und Analphabetismus.
Ende Oktober 1950 drangen chinesische Soldaten in Tibet ein. Die nur 10’000 Mann starke tibetische Armee konnte die mit neuesten Waffen ausgerüstete chinesische Armee nicht aufhalten. Die Chinesen drangen erst im Dezember bis 250 Kilometer vor Lhasa vor. Ihr Aufmarsch wurde durch Temperaturschwankungen von –40 bis 35 °C und das Überschreiten 5000 Meter hoher Bergpässe erschwert. Der Dalai Lama wurde nach Peking zu Verhandlungen gerufen. Am 23. Mai 1951 wurde ein Abkommen beschlossen, welches die Eingliederung Tibets in China vorsah. Tibet sollte seine Autonomie, der Dalai Lama seine geistliche und politische Funktion behalten. Zusätzlich sollte kein Anhänger des Lamaismus verfolgt und die buddhistischen Traditionen sollten geachtet werden. In der Aussenpolitik wurde Tibet nun von Peking vertreten. Zur Durchsetzung dieser Forderungen blieben 50’000 Besatzungssoldaten in Tibet zurück.
Im Oktober 1950 erreichte die Volksbefreiungsarmee die tibetische Stadt Chamdo, wo sie nur auf minimalen Widerstand durch die schlecht ausgerüstete tibetische Armee traf. Einen Monat nach der Kapitulation der Armee in Osttibet durch den Gouverneur von Kham, Ngabo Ngawang Jigme, übernahm im November 1950 in Lhasa im Alter von 15 Jahren der heutige 14. Dalai Lama die Regierung Tibets – drei Jahre früher als üblich.

Tibet als Teil der VR China ab 1951

Nach der Aufnahme von Verhandlungen mit China unterzeichneten Repräsentanten der tibetischen Regierung unter der Leitung von Ost-Tibets Gouverneur Ngabo Ngawang Jigme am 23. Mai 1951 in Peking das 17-Punkte-Abkommen. In dem Abkommen wurde die Integration Tibets in China festgelegt, wobei Tibet neben der regionalen Autonomie und Religionsfreiheit auch eine Garantie zugesichert wurde, dass das existierende politische System in Tibet unverändert bleibe. Weiter sollten Reformprozesse ohne Druck durch chinesische Zentralbehörden nur durch die tibetische Regierung eingeleitet werden. Damit verzichtete Tibet auf die nach dem Ende des chinesischen Kaiserreichs faktisch bestehende, aber international nicht anerkannte Unabhängigkeit und unterstellte sich politisch der «geeinten Führung der Zentralen Volksregierung». Zugleich sicherte das Abkommen der Region weitreichende Autonomie zu. Punkt 4 des Abkommens gestand dem damals noch minderjährigen Dalai Lama den Status des religiösen Oberhaupts sowie alle damit verbundenen Befugnisse zu. Unter Punkt 7 wurde allen Tibetern die Respektierung ihrer Religion und ihrer Sitten wie auch die Unantastbarkeit der Klöster zugesichert.
Drei Tage später erfuhr die tibetische Regierung in Lhasa über das Radio von der Unterzeichnung und dem Inhalt des Abkommens. Da hierin das religiös-politische System Tibets und die Stellung des Dalai Lama unverändert bleiben sollte, stimmte Lhasa am 24. Oktober 1951 dem Abkommen zu. Sowohl Dalai Lama als auch Pantschen Lama erklärten in Telegrammen an Mao Zedong ihre Zustimmung.
Zu diesem Zeitpunkt unternahm die chinesische Regierung noch keine Versuche, das soziale oder religiöse System in Tibet zu verändern, jedoch wurden Kham (Osttibet) und Amdo (Nordosttibet) wie jede andere chinesische Provinz behandelt bzw. in die entsprechenden chinesischen Verwaltungsbezirke eingegliedert.
In den Jahren 1951–59 wurde das Gesundheits- und Bildungswesen wie auch das Verkehrswesen (Verbindungsstrassen nach China) erheblich verbessert, doch mit den sozialen und gesellschaftlichen Reformen wurde bewusst die gesellschaftliche Bedeutung des Lamaismus zurückgedrängt. Tausende bisher nichtberufstätige Mönche wurden zur Arbeit verpflichtet, und lamaistische Klöster wurden enteignet bzw. aufgelöst. Durch die Auflösung der lamaistischen Klöster bildete sich ein Widerstand, den die chinesische Regierung durch Umsiedlungsprogramme stoppen wollte. Es wurden Tibeter in China angesiedelt und Chinesen in Tibet.
Im April 1956 begannen in Lhasa Gespräche über die Gründung eines Autonomen Gebiets Tibet. Dem Vorbereitungskomitee stand der junge Dalai Lama vor. Doch Mao Zedongs ultralinke Politik Ende der 50er Jahre machte vor Tibet nicht halt. Zwangsverstaatlichungen und antireligiöse Propaganda gehörten auch dort zum Alltag. Weder Kultur und Bräuche der Tibeter noch die Autorität des Dalai Lamas wurden respektiert. Zum Bruch zwischen den lokalen, lamaistisch-feudalen Herrschaftsstrukturen und der Zentralregierung führte schliesslich eine Agrarreform 1956, durch die die historischen Privilegien der feudal-klerikalen Minderheit (Landgrossbesitz, leibeigene Untertanen, Sklavenhaltung) beseitigt werden sollten. Der US-Auslandsgeheimdienst CIA hat dann diesen Konflikt bewusst genutzt, um die Opposition gegen die VR China zu stärken. So startete die CIA 1956 eine gross angelegte Geheimkampagne gegen kommunistische Chinesen in Tibet.

Der Guerillakrieg 1956–59

Aufgrund dieser Entwicklungen und mit aktiver Hilfe der CIA von Nepal und Indien aus entstand ein Guerillakrieg, der vor allem von der tibetischen Aristokratie und der Mönchskaste unterstützt wurde, deren Privilegien bedroht waren. Die Verstrickung des CIA mit Bezug auf die verdeckte Unterstützung der tibetischen Sezessionsbewegung geht bis in die Mitte der 1950er Jahre zurück. Der Dalai Lama stand von den späten 1950er Jahren bis 1974 auf der Gehaltsliste der CIA.
Kopf der Guerilla «Chusi Gangdruk» war Gyalo Thöndup, einer der älteren Brüder des Dalai Lama. Die CIA hatte ab 1958 eine Gruppe von 400 «Chusi Gangdruk» Kamba-Kämpfern in Camp Hale, einem Trainingszentrum der CIA in den Rocky Mountains, zur Durchführung gezielter Kommandoattacken ausgebildet (in der Nähe von Leadville, US-Bundesstaat Colorado). Weitere Kampfeinheiten wurden in einer streng abgeschirmten Operationsbasis des ehemaligen Königreiches Lo trainiert, einer auf dem tibetischen Hochplateau gelegenen, politisch jedoch dem Staatsgebiet Nepal zugehörigen Bergregion namens Mustang (chines. Shannan) im Nordwesten des Landes. Im Mai 1958 brachten zwei von den USA ausgebildete Spione Funkgeräte in das Hauptquartier nach Shannan und nahmen von dort Kontakt mit der CIA auf. Kurz darauf warfen die USA für die Rebellen Waffen und Munition ab, darunter 20 leichte Maschinengewehre, zwei Granatwerfer, 100 Gewehre, 600 Handgranaten und gegen 40’000 Schuss Munition. Zu diesem Zeitpunkt versorgten die USA die Rebellen in Shannan noch zusätzlich heimlich auf dem Landweg mit grossen Mengen an Waffen und Munition.
Der Terror der Chusi Gangdruk, die zeitweise 12’000 Mann umfasste, wurde bis Anfang der 1970er Jahre mit jährlich 1,7 Millionen US-Dollar aus einem eigens aufgelegten Sonderprogramm der CIA subventioniert. Der Dalai Lama erhielt aus dem gleichen Fonds 186’000 US-Dollar pro Jahr zur persönlichen Verfügung. Nachdem er den Erhalt dieser Gelder und seine Verbindung zur CIA jahrzehntelang abgestritten hatte, musste er Ende der 1990er diese Tatsachen zugeben.
Die tibetischen Kamba-Kämpfer wurden von der CIA politisch und militärisch ausgebildet und für Angriffe und Sabotagehandlungen gegen kommunistische Chinesen ausgerüstet. Diese US-geschulten Guerillakämpfer führten in regelmässigen Abständen Überraschungsangriffe in Tibet aus, bei denen sie gelegentlich auch von CIA-Vertragssöldnern angeführt und von CIA-Flugzeugen unterstützt wurden. Das anfängliche Trainingsprogramm endete im Dezember 1961, wobei das Lager in Colorado zumindest bis 1966 in Betrieb geblieben zu sein scheint. Das tibetische CIA-Einsatzkommando führte neben der tibetischen Guerillaarmee die Operation zur Schikanierung der chinesischen Besatzungskräfte mit dem Decknamen «ST CIRCUS» mindestens 15 Jahre weiter, bis 1974 die bis dahin offiziell sanktionierte Mitwirkung aufhörte. Die Basis in Mustang, Nepal, wurde erst 1974 von der nepalesischen Regierung geschlossen, nachdem der Druck aus Peking zu gross geworden war.

Der «Volksaufstand» von 1959

Nach Demonstrationen in den grössten Städten Tibets zu Beginn des Jahres 1959 brachen starke Unruhen aus. Am Vorabend des 10. März 1959 hatte in Lhasa das Gerücht von einer bevorstehenden Entführung des religiösen Oberhaupts der buddhistischen Tibeter, des Dalai Lamas, die Runde gemacht. Ein Aufstand brach daraufhin los, den Chinas Volksbefreiungsarmee niederschlug. Die Chinesen griffen Klöster und auch den Sitz des Dalai Lamas an. Am 17. März 1959 floh der Dalai Lama nach Indien. Nach der Ausrufung des Kriegsrechts am 22. März 1959 waren die Strassenkämpfe, die von tibetischen Mönchen aktiv unterstützt worden waren, in Lhasa beendet, in Gjangtse, der zweitgrössten Stadt Tibets, aber noch nicht. Hier konnten die Aufstände erst Ende April durch die chinesische Armee beendet werden. Nach einigen Schätzungen starben 2000 Tibeter, 4000 Tibeter wurden inhaftiert.
Am 28. März gab Ministerpräsident Zhou Enlai Order, die tibetische Lokalregierung aufzulösen. Mit den Befugnissen der Lokalregierung wurde das Vorbereitungskomitee des Autonomen Gebiets Tibet betraut. Dessen Vorsitzender, der 14. Dalai Lama, war nun allerdings nicht mehr dabei. An seiner Stelle wurde der 10. Panchen Lama berufen.
Eine Verfolgung der tibetischen Oberschicht begann und die Regierung wurde von einem chinesischen Militärgouverneur übernommen. Tausende Tibeter flüchteten in die Nachbarländer. Die Beziehungen zwischen Indien und China verschlechterten sich, und es kam zu Grenzkonflikten, die 1962 einen Grenzkrieg auslösten. 1964 erklärte die chinesische Zentralregierung den Dalai Lama und den Pantschen Lama als abgesetzt.
Für die Armen und ehemaligen Leibeigenen aber begann nun eine Zeit der Veränderung zu ihren Gunsten. Von 1959–61 wurde die «demokratische Reform» durchgeführt. Der erste Schritt der Reform war die «Bewegung gegen Rebellion, gegen den Ula-Frondienst und gegen körperliche Züchtigung» sowie die Reduzierung von Pacht, Miete und Zins. Im ländlichen Raum wurden die Ernteerträge von Grundherren, die an der Rebellion beteiligt waren, zur Gänze an die Bauern verteilt. Grundherren, die sich nicht am Aufstand beteiligt hatten, durften 20 Prozent der Erträge behalten. Zugleich wurden die Leibeigenen befreit und Körperstrafen abgeschafft. In den Weidegebieten gehörte alles Vieh von Viehbesitzern, die an der Rebellion teilgenommen haben, nun zunächst den Hirten. Die Viehbesitzer, die nicht an der Rebellion teilgenommen hatten, durften ihr Vieh behalten, mussten aber das Einkommen der Hirten erhöhen. Der zweite Schritt der demokratischen Reform war, die Produktionsmittel der Feudalherren, die an der Rebellion teilgenommen hatten, zu beschlagnahmen und sie an die armen Bauern und Viehzüchter zu verteilen. Die Produktionsmittel von Feudalherren, die nicht an der Rebellion teilgenommen hatten, wurden vom Staat erworben und an die armen Bauern und Hirten verteilt, ein Teil der Produktionsmittel ging an Grundherren und Viehbesitzer.
Die demokratische Reform in Tibet führte zur restlosen Abschaffung der feudalen Leibeigenschaft. Viele Leibeigene erhielten zum ersten Mal seit Generationen Produktionsmittel wie Ackerland und die Verfügungsgewalt über ihren eigenen Körper.

Autonome Region Tibet ab 1965

1965 wurde Tibet offiziell der Status einer Autonomen Region der Volksrepublik China eingeräumt. Dabei wurde allerdings gleichzeitig Tibet auf etwa die Hälfte seines bisherigen Territoriums reduziert, die ART (englisch TAR), und die restliche Hälfte, d.h. die ehemals tibetischen Provinzen Kham und Amdo definitiv in chinesische Provinzen eingegliedert.
1966–76 war insbesondere auch Tibet dem Wüten der chinesischen «Kulturrevolution» ausgesetzt. Etwa 6000 buddhistische Klöster und Tempel wurden zerstört, nur 13 entgingen der Vernichtung. Die tibetischen Bauern, meist vereinzelt lebende Bergbauernfamilien mit traditioneller, ärmlicher Land- und vor allem Weideviehwirtschaft, wurden zwangskollektiviert. Im Anschluss daran kam es zu Hungersnöten.
Der Druck Chinas auf Tibet liess erst Ende der 70er Jahre nach. So wurde der 1964 seines Amtes enthobene Dalai Lama erst 1978 von der Zentralregierung wieder zugelassen. China forderte ihn mehrmals zur Rückkehr nach Tibet auf. 1982 nahm der Pantschen Lama seinen Sitz in Lhasa.
1980 gab China erstmals zu, in Tibet Fehler gemacht zu haben, und es kam nach dem Tibet-Besuch des KP-Generalsekretärs Hu Yaobang zu einer langsamen Liberalisierung. Reformen wurden angekündigt, die Religionsausübung gestattet und einige von den «Roten Garden» zerstörte Klöster wieder aufgebaut. Peking gewährte den Tibetern einige Liberalisierungen (Steuernachlässe, Mitbestimmungsrechte in den Betrieben, Liberalisierung des Handels, Tibetisch wurde wieder Unterrichtssprache). Die Nahrungsmittelversorgung in Tibet normalisierte und verbesserte sich. Dem Dalai Lama wurde die Rückkehr angeboten, wenn er bereit wäre, die Forderung nach einem unabhängigen Tibet aufzugeben.
Die gewaltsamen Demonstrationen von 1987 (in Lhasa kam es im Oktober zu blutigen Unruhen, als Lama-Mönche für die Lostrennung von China demonstrierten), 1989 (mehrtägige heftige Unruhen im März; die lokale Regierung unter Hu Jintao, damals KP-Chef von Tibet, verhängt das Kriegsrecht über Lhasa; der Panchen Lama kommt unter ungeklärten Umständen ums Leben) und im Mai 1993 (für Unabhängigkeit, sowie gegen Teuerung und Erhebung von Gebühren für medizinische Behandlung) hatten neue Repressionen zur Folge, rigorose Überwachung, strengste Kontrolle religiöser Aktivitäten und weitere Ansiedlungen von Han-Chinesen.
Andererseits wurde das Kriegsrecht am 1. Mai 1990 aufgehoben. Der Dalai Lama wurde erneut zur Rückkehr nach Tibet aufgefordert, man bot ihm sogar Unabhängigkeitsgespräche an. Erstmals nach zehn Jahren, im August 1993, fanden Gespräche zwischen Vertretern des Dalai Lamas und der chinesischen Regierung statt, die aber zu keinen Ergebnissen führten. Beide Seiten beharrten kompromisslos auf ihren unvereinbaren Positionen.
Im September 1994 wurde in Peking ein Entwicklungsprogramm bekanntgegeben, nach dem der Lebensstandard in Tibet an den in China herangeführt werden soll.
Der Dalai Lama erkennt im Mai 1995 den sechsjährigen Gedhun Choekyi Nyima als Reinkarnation des 10. Panchen Lama – des zweitwichtigsten tibetischen Würdenträgers – an. China ruft darauf im November Gyaltsen Norbu zum Panchen Lama aus; Gedhun Choekyi Nyima wird mitsamt seiner Familie aus Tibet entführt und unter Hausarrest gestellt. Sein Aufenthaltsort ist seither unbekannt.
Im April 1996 wurde bekanntgegeben, dass in der Öffentlichkeit, in Klöstern, Tempeln und bei buddhistischen Versammlungen keine Bilder des Dalai Lamas mehr gezeigt werden dürfen.
Am 1. Juni 2006 wird eine der kompliziertesten Eisenbahnlinien der Welt, die Tibet-Bahn fertiggestellt (1956 km von Xining nach Lhasa, Peking–Lhasa in 48 Stunden). Das ist nicht nur eine ingenieurtechnische Meisterleistung (der höchstgelegene Bahnhof befindet sich auf 5068 m.ü.M.), sondern eine leistungsfähige Lebensader für das Hochland. Der neue Verkehrsweg kurbelt Wirtschaft und Tourismus an; befürchtet wird aber auch eine Zunahme der Einwanderung von Han-Chinesen in Tibet, wo sie nach exiltibetischen Schätzungen bereits in vielen Städten die Mehrheit ausmachen.